Mara
11. Okt. 2022
Es ist nicht so, dass Martin Flückiger Mühe bekundet hätte, seine Agenda zu füllen. Als Schulleiter hat der 50-Jährige nur schon beruflich eigentlich genügend zu tun. Aber da ist eine sportliche Leidenschaft, die ihn nichtloslässt und für die er in diesem Sommer Freiräume geschaffen hat: Volleyball. Im Juni erhält Flückiger einen Anruf von Thomas Helbling, der die Männer des VBC Sursee in die NLB geführt hat. Helbling kann den Trainerjob aus zeitlichen Gründen aber nicht fortführen und kümmert sich gleich selber um die Nachfolge. Flückiger, den er seit langem kennt, ist für ihn der Wunschkandidat – und tatsächlich sagt dieser zu. Weil es sich um ein ehrgeiziges Projekt handelt. Er sagt:«Wenn ich mich engagiere, will ich etwas bewegen können und mit Spielern zu tun haben, die Lust haben, sich weiterzuentwickeln. Ambitionen sind für mich die Grundlage. Sonst lasse ich es lieber sein.»
Flückigers Spass, Trainer des VBC Sursee zu sein
Jetzt sitzt er vor einem Training in der Sporthalle Kottenmatte in Sursee und macht einen überaus zufriedenen Eindruck. Die Arbeit mit der Mannschaft macht Spass, und das Zusammenspiel mit dem Vorstand klappt einwandfrei. Flückiger sagt: «Es funktioniert, weil hier das Miteinander über die individuellen Interessen gestellt wird. Alle verfolgen dieselben Ziele, und jedem ist bewusst: Erreicht werden können sie nur mit Teamwork. Der VBC Sursee ist ein cooler Klub.»
Flückiger ist zwar neu im Amt – und trotzdem kein Neuling in Sursee. Der gebürtige Entlebucher, seit langem schon Mitglied des Donatorenvereins «Club 200», spielte einst als Aktiver beim VBC in der NLA, mit 30 wurde er Spielertrainer und hatte in dieser Funktion seinen Anteil daran, dass die Surseer den Sprung in die höchste Spielklasse schafften. Ihn reizte es schon immer, Talente auszubilden und zu fördern, sei es auf Vereinsebene oder als Coach von regionalen und nationalen Nachwuchsauswahlen. Und jetzt ist da diese Aufgabe, ein Team in der NLB zu lenken und sportlich so aufzustellen, dass der Ligaerhalt realisiert wird. Geschehen soll das ohne ausländische Verstärkung. Darauf wird bewusst verzichtet, weil zum einen solche Engagements mit zusätzlichen Kosten verbunden sind und finanzielle Abenteuer tunlichst vermieden werden. Zum anderen ist Flückiger überzeugt vom Potenzial, das in seinem Kader steckt. Er hat zwei, drei Routiniers, das schon, aber die Mehrheit der Spieler ist so jung, dass der Altersschnitt bei 22 Jahren liegt. Die Jugend dominiert auch an der Spitze des Vereins, der mit einem Co-Präsidium operiert. Nicolas Tschuppert heisst der eine, Kevin Wespi der andere – die beiden 30-Jährigen besuchten zusammen die Kantonsschule, spielen seit 15 Jahren zusammen Volleyball und sind enge Freunde. Den Entschluss, die Verantwortung zu übernehmen, fassten sie, als sie zusammen beim Skifahren in Engelberg auf dem Sessellift sassen. Jetzt sind sie Präsidenten eines Klubs mit 30 Teams und insgesamt 377 Mitgliedern. Aber sie sind noch viel mehr als die führenden Köpfe: Sie spielen selber und stehen als Trainer im Einsatz. «Wir sind mit Herzblut bei der Sache», sagt Nicolas Tschuppert und fügt an: «Mit dieser Einstellung sind alle anderen Ehrenamtlichen auch dabei.»
Plattform für junge Talente
Ihm und Wespi ist es ein Anliegen, dass der VBC Sursee gesund wächst und nicht plötzlich die Bodenhaftung verloren geht. Für sie ist es kein Thema, kurzfristig den Sprung in die NLA anzustreben, weil ihnen bewusst ist, was das erfordern würde: Ausbau der Strukturen, höhere Investitionen, noch mehr Aufwand für alle Beteiligten. Die Gegenwart ist die NLB – ein Level, auf dem sich die Surseer mit ihren überschaubaren Möglichkeiten halten und entfalten wollen. «Wir möchten jungen Talenten eine Plattform bieten», sagt Nicolas Tschuppert und betont in diesem Zusammenhang die Bedeutung von Trainer Martin Flückiger: «Er ist mit seinen Kompetenzen ein Glücksfall für uns.» Flückiger, der einen Einjahresvertrag unterschrieben hat, sieht sich mit seiner Mannschaft auf Kurs. Und manchmal würde er unheimlich gern wieder selber auf dem Platz stehen, weil er das Spiel so liebt, diesen Sport, der ihm wie «Schach mit 100 Stundenkilometern» vorkommt: «Volleyball ist Dynamik, aber auch Strategie. Die Herausforderung, beides so gut wie möglich zu beherrschen, ist faszinierend.»
Vier Spiele, drei Siege
Die Saison 2022/23 ist inzwischen vier Spieltage alt. Dem 3:1-Auftaktsieg gegen Amriswil liessen die Surseer ein 3:2 in St.Gallen folgen, dann musste sich das Team in Lausanne mit 0:3 geschlagen geben. Aber die Antwort auf die erste Niederlage gab die Equipe von Martin Flückiger umgehend: Am Samstag setzte sie sich gegen Fully mit 3:0 durch. Der Trainer spricht von einem «gelungenen Auftakt» und lobt die Widerstandsfähigkeit seiner Mannschaft: «Wir haben es schon mehrmals geschafft, einen Satz noch zu kehren. Das zeugt von einer gewissen Nervenstärke.» Auch wenn er im spielerischen Be reich noch Steigerungspotenzial sieht – für Flückiger lohnt sich das Engagement: «Wir sind auf einem guten Weg – cool!»
Bericht aus der Luzerner Zeitung von Peter Birrer
11. Oktober 2022